Welche Erkenntnisse gehen aus dem Amoklauf in Graz hervor?

DBK: Wie siehst Du den Amoklauf an der Schule in Graz?

Jogy Wolfmeyer: Als Erstes möchte ich den Betroffenen mein tiefstes Beileid aussprechen und Ihnen viel Kraft wünschen, diese schreckliche Zeit zu überstehen.

Ich glaube es wäre jetzt zu früh, um Ursachen zu suchen für dieses komplexe Thema, das glücklicherweise, auch wenn dies jetzt sehr taktlos klingt im Zusammenhang, sehr selten passiert.


Begutachten müssen wir zwei Seiten, die der Opfer und die des Täters, der sich ebenso als Opfer gesehen haben muss. Ich habe damals ja begonnen mich mit Borderline Patienten auseinander zu setzen, da es zu diesem Zeitpunkt keine wirkliche Anlaufstelle für Menschen mit Persönlichkeitsstörung gab. Österreich hat bei psychischen Erkrankungen in verschiedenen Bereichen noch einen Nachholbedarf, was Definition und Hilfe betrifft.

DBK: Kann man bei dem Täter auch von einem Borderliner ausgehen?

Jogy Wolfmeyer: Das werden die Ermittlungen in ca. 1 Woche zeigen, wenn das Umfeld und die Ursache der Tat fest steht. Grundsätzlich gibt es 2 Borderline Typen: Der eine Typus ist eher das Opfer und würde sich in diesem Fall eher selbst bestrafen mit einem Suizid und den zweiten Typ einem nach Aussen hin bereits sehr aggressiv auftretenden Täter, der mit Sicherheit bereits straffällig geworden wäre und somit der Zugang zu einer Waffe relativ schwierig wäre. Dazwischen drinnen gibt es dann eben ein paar Prozent, die in Fragen kommen würden, ebenso wie Schizophrenie Patienten oder andere Störungen. Derzeit stehen die Fakten für eine solche Beurteilung nicht fest.

DBK: Wenn wir jetzt die Sichtweise des Täters betrachten, der Mobbing Opfer gewesen sein soll. Wie sollen wir mit diesem Thema umgehen?

Jogy Wolfmeyer: Der Betroffene hat sich nicht gegen eine bestimmte Person gerichtet, sondern gegen ein Kollektiv. Wenn dies passiert, dann ist es meist tendenziell auch eine Kritik an der Gesellschaft, die sich auseinander bewegt, als füreinander einzustehen. Meistens bringen uns genau diese Umstände, die dieser Vorfall ausgelöst hat erst wieder zusammen. Eltern reden mit Ihren Kindern, nehmen sie in den Arm und sind froh, dass sie da sind. In Familien, wo das über das ganze Jahr so ist, da wird sich nicht viel geändert haben, lediglich in diesen Familien, wo dieser Kontakt zu kurz gekomen ist. Denken wir zurück an Social Distancing und Menschen mit anderer Meinungen aufeinander geprallt sind und die Politik einen Graben in die Gesellschaft gerissen hat.

Wir erleben eine Wandel der Gesellschaft in eine Borderline Gesellschaft durch stark polarisierende Politiker, die entweder Schwarz oder Weiss denken unfähig eine objektive Bewertung abzugeben. Schauen wir uns das Beispiel an, dass hier gerade wieder für Polarisierung sorgen könnte, um politisch zu Punkten, anstatt das Problem zu lösen.

DBK: Welche Lösung für das Problem würde es geben?

Jogy Wolfmeyer: Wir müssen mehr Aufeinander zugehen, uns nicht von der Politik gegeneinander aufhetzen lassen und andere Meinungen und Sichtweisen zulassen. Auch jene in die Mitte nehmen, die sich ausgestossen fühlen könnten, weil man sie nicht beachtet, oder nicht ernst nimmt.

Ohne Populismus nach Lösungen suchen und nicht die Auswirkung zum Problem machen, sondern die Ursache.

Wenn ich die konservativen Politiker wieder höre, das sie Sicherheitssysteme an Schulen einbauen wollen, dann frage ich mich, ob später eine Mauer um die Schule gebaut werden soll, wenn die Schüler dann nicht mehr in der Schule, sondern beim Verlassen der Schulen in Gefahr sind. Die Angriffszone von Innen nach Aussen zu verschieben beseitigt das Problem nicht wirklich.

DBK: Sollte man die Waffengesetze überarbeiten stattdessen?

Jogy Wolfmeyer: Auf jeden Fall ist das ein besserer Schritt und zeigt ja auch, dass Europa weniger bewaffnete Vorfälle hat, als die USA.
Logisch löst es das Problem nicht wirklich, wie Österreich seit Briefbomben Attentaten und anderen biologischen Angriffen weiss.

Angriffe lassen sich nie verhindern, sondern wir müssen vermehrt auf das hören, was und eigenartig vorkommt. Wenn etwas nicht ausgewogen ist und immer nach eine extremen Seite klingt, die sich ohne Auseinandersetzung immer in eine einzige Richtung bewegt, dann spricht man von Radikalität. Diese kann Recht oder Links (Gut oder Böse, Schwarz oder Weiss. Gott und Teufel, Absolutismus ist eine Borderline Störung) sein und findet sich meist im Internet wieder.

Gerade Kriege versuchen uns auch auf die Eine oder andere Seite zu ziehen. Die derzeitige Propaganda, die vor allem von jenen getragen werden, die sich zu Borderline Denkweisen hingezogen fühlen erkennt man man ja bereits an den Medien. Haben Medien, Politik und Kirche Borderline? JA


In bestimmten Situationen sind Medien mit der Realität überfordert und versuchen hier auch eine Blamage zu entgehen, als Dumm da zustehen, weil sie dem Mainstream nicht folgen. In der Schule nannte man dies Gruppenzwang, wenn man Angst hat, sich gegen eine Gruppe zu stellen und die Position zu hinterfragen. Zu 90% müssen Medien Skandale aufdecken, die sie selbst erst totgeschrieben haben und den Populisten auf den Leim gegangen sind.

Wir haben keine Mitte der Gesellschaft mehr, sondern Jeder muss sich einer Strömung unterwerfen, um dazu zu gehören. Auch wenn die andere Seite eine gute Idee vorbringt, dann müssen wir diese schlecht machen und die Anhänger dieser Seite vernichten, als wären wir gesellschaftlich im Krieg.

DBK: Hat Deiner Meinung nach die Politik einen grossen Einfluss über die Wandlung der Gesellschaft?

Jogy Wolfmeyer: Extremisten versuchen immer eine Glaskuppel um Ihre Welt zu bauen, die dann unantastbar bleiben soll, was wir ja gerade in den USA erleben. Egal, welche Seite übernimmt, will derzeit ein Narrativ durchsetzen, um dem Anderen zu zeigen, dass stärker ist.

Die Kosten für diese erbitterte Schlammschlacht der Politiker sollen die Bürger bezahlen. Obama führt die landesweite Gesundheitsversorgung aus, Trump hebt diese wieder auf. Oder Beispiel aus Österreich, wo die Grünen zusammen mit der SPÖ ein Lobau Tunnel beschlossen haben und die Grünen im Bund den Bau gestoppt haben, sowie eine Zustimmung zum Renaturierungsgesetz ohne Mehrheit. Die FPÖ kauft sich Pferde, die dann wieder verkauft werden mussten. Extremismus und Borderline gehen hierbei Hand in Hand und ich stelle mir schon die Frage, warum die Österreicher an Bordelinern so viel gefallen finden können, haben wir dadurch doch einst den schlimmsten Teil unserer Geschichte durch Borderliner erlebt.

DBK: Welchen Rat hast Du an die Politik?

Jogy Wolfmeyer: Wenn die Politik zurück zur Mitte findet, dann wird das auch die Bevölkerung tun. Politik hat auch eine Verantwortung und ist kein Spielplatz für psychisch Erkrankte. Narzissten, Rechte und Linke Extremisten, Selbstdarsteller und Scammer haben in der Politik nichts verloren.

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